Pflegekinder

Seit über 30 Jahren liegt ein besonderer Schwerpunkt unserer Kanzlei auf der Beratung und Vertretung von Pflegeeltern in Konflikten rund um Pflegekinder, sowohl im Vorfeld eines gerichtlichen Verfahrens als auch vor Gericht. Wir sind bundesweit tätig und nehmen Termine persönlich wahr. Zudem bieten wir bundesweit Fortbildungen im Bereich Pflegekinderrecht an.

Was tun, wenn das Kind herausverlangt wird?

Es ist sehr wichtig, das Kind nicht herauszugeben und sich schnell an eine Anwaltskanzlei zu wenden, die auf Pflegekinderrecht spezialisiert ist.

Vormund, Jugendamt und auch die sorgeberechtigten Eltern benötigen zunächst eine Entscheidung durch das Familiengericht, die an die Pflegeeltern adressiert ist und ihnen das Gebot erteilt, das Kind an eine bestimmte Person herauszugeben.

Das Jugendamt kann „In Obhut-nehmen“. Das ist aber nur dann rechtmäßig, wenn das Kind in der Pflegefamilie in Gefahr ist und diese Gefahr so dringend ist, dass die Entscheidung des Familiengerichtes zu spät kommen würde.

Bitte lassen Sie sich durch uns beraten, bevor Sie vorschnell das Kind herausgeben!

Auch Bereitschaftspflegeeltern sind nicht machtlos!

„Bindung ist für das Überleben eines Menschen so grundlegend wie etwa die Luft zum Atmen, Ernährung, und Schlaf“ (Karl-Heinz Brisch im Vortrag vor dem 17. Deutschen Familiengerichtstag 2007). Es ist für die geistige, seelische und körperliche Entwicklung eines Kindes riskant, vorhandene Bindungen zu unterbrechen. Denn stabile Bindungen sind einer der wichtigsten Bausteine für eine gesunde kindliche Entwicklung. Das ist durch wissenschaftliche Forschung gut abgesichert. Stabile Bindungen beeinflussen die Entwicklung der Persönlichkeit und vor allem das soziale Verhalten des Kindes und machen es nicht nur fähig zu Mitgefühl, sondern ermöglichen es ihm auch, später als erwachsene Person gute Bindungen zu den eigenen Kindern einzugehen. Die Qualität der Bindung wird von einer Generation zur nächsten weitergegeben.

Kinder sind auf stabile Lebensverhältnisse angewiesen. Sie benötigen Geborgenheit und Kontinuität. Daraus ergibt sich für die Jugendhilfe die logische Konsequenz, dass Kinder, die bei ihren biologischen Eltern nicht bleiben können, schnell und auf Dauer in einer Familie untergebracht werden sollten, damit sie dort neue – heilsame – Bindungen eingehen können.

Leider sieht die Praxis anders aus.

Zu viele Babys und Kleinkinder werden vorübergehend in Bereitschaftspflegefamilien untergebracht. Diese vorläufigen Unterbringungen dauern oft länger als ein halbes Jahr, manchmal sogar 2 Jahre. Schon nach wenigen Monaten entwickeln die Kinder aber Bindungen an ihre Bereitschaftspflegeeltern, so dass die Übersiedlung in die Dauerpflegefamilie für die Kinder eine erneute Trennung aus Bindung ist. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich viele der Pflegekinder von dieser erneuten Trennung nicht erholen. Manche Kinder entwickeln aber auch aufgrund der mangelnden Bindungsbereitschaft der Bereitschaftspflegeeltern eine Bindungsstörung.

Alle Humanwissenschaftler stimmen überein, dass die Trennung eines Kindes von seinen Bindungspersonen ein gravierendes Risiko für seine Entwicklung ist, die unabsehbare gravierende körperliche und seelische Folgen nach sich zieht. Allgemein wird eine besondere Trennungsempfindlichkeit für Kinder zwischen etwa sechs Monaten und sieben Jahren konstatiert, mit einer hochsensiblen Phase zwischen sechs Monaten und drei Jahren (Großmann/Großmann, in: „frühe Kindheit/die ersten sechs Jahre Trennung und Verlust in den ersten Lebensjahren“ Heft 2/2015 S.8; Fegert/Kliemann, Das Verständnis von Bindung in Entwicklungspsychologie, Entwicklungspsychopathologie und Familienrecht Zirkelschlüsse und Missverständnisse, in: Familie – Recht – Ethik, Festschrift für Gerd Brudermüller zum 65. Geburtstag München 2014, S. 183, 184; Zenz, Die spezifische Bedeutung von Bindung und Trennung für das Kindeswohl, in: Salgo/Zenz/Fegert/Bauer/Weber/Zitelmann, Verfahrensbeistandschaft, Ein Handbuch für die Praxis, 3. Auflage, 2014; Dettenborn, Zwischen Bindung und Trennung – Die Kindesherausgabe aus psychologischer Sicht, FPR 1996, 76).

Deshalb sollten die Verantwortlichen, Jugendämter, freie Träger und Einzelvormünder dafür Sorge tragen, dass zumindest kleinere Kinder ganz schnell in Pflegefamilien untergebracht werden, in denen die Option des dauerhaften Verbleibs möglich ist. Es gibt Jugendämter, die über sehr viele potentielle Pflegefamilien verfügen, und deshalb in der Lage sind, kleine Kinder innerhalb von wenigen Tagen so unterzubringen, dass die Kinder dort bleiben könnten. Viele Jugendämter wandeln, auch ohne zu zögern, eine Bereitschaftspflege nachträglich in eine Dauerpflege um, wenn sich später zeigt, dass ein Kind entgegen früherer Annahmen doch nicht zu seinen biologischen Eltern zurückkehren kann.

Es ist schlicht falsch, dass Bereitschaftspflegeeltern, Außenwohngruppen von Kinderheimen oder Erziehungsstellenfamilien nicht berechtigt seien, beim Familiengericht einen Verbleibensantrag für ihr Pflegekind zu stellen.

Was ist ein Verbleibensantrag?

Gemäß § 1632 Abs. 4 BGB kann das Familiengericht anordnen, dass das Pflegekind in seiner Pflegefamilie bleibt.

Wer kann den Antrag stellen?

Den Antrag kann die Pflegeperson stellen. Das Gericht kann den Verbleib aber auch von Amts wegen – also ohne Antrag – anordnen. Das Jugendamt, die leiblichen Eltern und andere Personen können beim Familiengericht eine solche Entscheidung anregen.

Wo kann der Antrag gestellt werden?

Örtlich zuständig ist das Familiengericht, in dessen Bezirk das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 152 Abs. 2 FamFG). Zuständig ist also das Familiengericht, in dessen Bezirk die Pflegefamilie wohnt!

Was sind die Voraussetzungen für einen Verbleibensantrag?
  1. Jemand, der das Recht hat, über den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, kündigt an, dass er beabsichtigt, das Kind aus der Pflegefamilie herauszunehmen.
  2. Das Kind lebt in einer Pflegefamilie.
  3. Das Familienrecht versteht unter Pflegeeltern erwachsene Personen, die ein Kind über Tag und Nacht pflegen. Es ist völlig unerheblich, wie die Jugendhilfe diese Pflegeeltern einstuft. Somit sind nicht nur Dauerpflegeeltern, sondern auch Bereitschafts- oder Erziehungsstellenpflegeeltern oder Eltern, die ein Kind in Adoptionspflege betreuen, Pflegeeltern im familienrechtlichen Sinne. Das gleiche gilt für eine Familie, die eine „Außengruppe“ eines Heimes ist. Auch Verwandte, die ein Kind pflegen, sind nach dem Familienrecht Pflegeeltern.

    Wichtig ist nur, dass das Kind in einer Familie und nicht in einem Heim lebt. Entscheidend ist die tatsächliche Gestaltung. Sogar ein „Heim“ kann unter Umständen familienrechtlich als „Pflegefamilie“ angesehen werden, wenn Pflegeperson und Kind wie in einer Familie zusammenleben.

    Auch wenn sich Pflegeeltern vertraglich verpflichtet hatten, das Kind wieder herauszugeben, haben sie ein Recht auf eine familiengerichtliche Verbleibensanordnung. Denn die Verbleibensanordnung schützt das Pflegekind vor dem Verlust seiner Bindungen, sie ist Ausdruck seines Grundrechtes auf eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung und kann deshalb nicht durch Vertrag geregelt werden.

  4. Das Kind muss „längere Zeit“ in der Pflegefamilie leben.
  5. Ob ein Kind seit längerer Zeit in der Pflegefamilie lebt, hängt von den individuellen Lebensumständen des Kindes ab. Je jünger ein Kind ist, desto kürzer ist jener Zeitraum, der berechtigt, auf die Entstehung von Bindungen zu schließen, die ohne Schadensrisiko nicht mehr aufzuheben sind (so das OLG Köln, FamRZ 2007, 658, 659).

    Spätestens nach 6 Monaten liegt bei einem Kleinkind die Voraussetzung der längeren Zeit vor. Das Oberlandesgericht Köln bejahte die längere Zeit für ein drei Monate altes Baby, das sich drei Monate in einer Pflegefamilie befand.

  6. Das Kind würde durch die Herausnahme aus der Pflegefamilie seelischen oder körperlichen Schaden erleiden.
  7. Bei Wechsel des Kindes in eine andere Pflegefamilie oder in ein Heim
  8. Wenn nicht die Rückkehr zu den leiblichen Eltern, sondern nur ein Wechsel der Unterbringung beabsichtigt ist, dann steht die Pflegefamilie unter dem vollen Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die Herausnahme ist dann nur zulässig, wenn seelische und körperliche Schäden ausgeschlossen werden können (so das Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 75, 201 = FamRZ 1987, 768 = NJW 1988, 125).

    In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht beraten, durch zwei Professoren aus dem Fachbereich Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, ausdrücklich ausgeführt:

    „Die Trennung von Kleinkindern von ihren unmittelbaren Bezugspersonen“ hat „unbestrittenermaßen als ein Vorgang mit erheblichen psychischen Belastungen und mit einem schwer bestimmbaren Zukunftsrisiko zu gelten“ (Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 75, 201, 219 = FamRZ 1987, 768 = NJW 1988, 125).

    Spätestens, wenn angekündigt wird, dass das Pflegekind die Familie wechseln soll, sollten sich Pflegeeltern eingehend rechtlich beraten lassen, falls sie den Verbleib ihres Pflegekindes in ihrer Familie wünschen. Je früher Pflegeeltern anwaltliche Beratung suchen, umso effizienter und schneller kann man helfen.

    Können Pflegeeltern den Antrag auf Verbleib ohne anwaltliche Hilfe stellen?

    Grundsätzlich ja, es besteht kein Anwaltszwang. Wir möchten Ihnen aber sehr davon abraten, in ein familiengerichtliches Verfahren ohne Unterstützung durch eine oder einen auf die Vertretung von Pflegeeltern spezialisierten Anwältin oder Anwalt zu gehen.

    Spätestens, wenn angekündigt wird, dass das Pflegekind die Familie wechseln soll, sollten sich Pflegeeltern, die den Verbleib ihres Pflegekindes in ihrer Familie wünschen, eingehend rechtlich beraten lassen. Je früher Pflegeeltern anwaltliche Beratung suchen, umso effizienter und schneller kann man helfen.

    Pflegeltern können sich viel Stress ersparen, wenn rechtzeitig die richtigen Maßnahmen für ihr Pflegekind eingeleitet werden. Aber in einer sehr eiligen Situation können sie beim Familiengericht versuchen, selbst eine vorläufige Anordnung auf Verbleib zu bekommen.

    „Das Jugendamt sagt, wir sollten erst mal abwarten.“

    Das ist in aller Regel kein guter Rat. Meist ist das Abwarten falsch. Denn in einem Verfahren, das ihr Pflegekind betrifft, werden gleich zu Beginn des Verfahrens vom Gericht Entscheidungen getroffen und damit entscheidende Weichen für den Ausgang des Verfahrens gestellt. Je später Pflegeltern sich am Verfahren beteiligen, umso weniger Einfluss können sie auf den Ausgang des Verfahrens nehmen.

Herausnahme: Unsere Empfehlungen an Pflegeeltern

Wenn sich ein Konflikt über die Herausnahme eines Pflegekindes aus der Pflegefamilie abzeichnet, sollten sich Pflegeeltern anwaltlich beraten lassen.

Viel zu oft suchen Pflegeeltern erst dann anwaltliche Hilfe, wenn das Verfahren bereits weit vorgeschritten ist oder das Kind bereits die Familie verlassen hat. Je früher Pflegeeltern rechtliche Beratung suchen, umso effektiver können Maßnahmen zum Schutz des Pflegekinds durchgesetzt werden. Welche Maßnahmen Anwälte empfehlen, hängt von vielen Faktoren ab: dem Alter des Kindes, der Dauer des Pflegeverhältnisses, der Erziehungsfähigkeit der Eltern und des Engagements des Jugendamtes für das Kind.

In der Tat ist es Aufgabe des Jugendamts, sich schützend vor das Pflegekind zu stellen, wenn die leiblichen Eltern das Kind zur Unzeit aus der Pflegefamilie nehmen wollen. Sozialarbeiter können Pflegeeltern und damit vor allem das Pflegekind unterstützen. Sie können dies zum einen tun, indem sie Verantwortung übernehmen und bestimmte Entscheidungen im Vor- oder Umfeld des Gerichtsverfahrens treffen (zum Beispiel Regelung des Umgangs).

Außerdem könnten und sollten sie die Grundlage für die Entscheidung des Gerichts vorbereiten, indem sie ausführlich über die Lebensgeschichte des Kindes und die Gründe der Unterbringung berichten. Hierbei sind die im Hilfeplanverfahren festgehaltenen Daten und Fakten einzubeziehen.

Qualifizierte Untersuchung des körperlichen und seelischen Entwicklungszustands des Pflegekindes

Der seelische und körperliche Zustand, in dem ein Kind in die Pflegefamilie aufgenommen wurde, sollte dokumentiert werden. Nützlich sind sowohl das Tagebuchschreiben der Pflegeeltern als auch kompetente ärztliche Untersuchungen. Frühförderzentren und Sozialpädiatrische Zentren empfehlen sich hier. Sollte es im Verlauf des Pflegeverhältnisses zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen, sind diese Daten sehr wichtig.

Die Kinder sollten gleich nach der Aufnahme in die Pflegefamilie gründlich auf ihren körperlichen und seelischen Zustand sowie ihre Bindungssituation untersucht werden. Nur so kann ein effizienter Hilfeplan erstellt werden.

All dies sollte eigentlich selbstverständlich sein. In der Praxis erleben wir aber häufig schwer gestörte Kinder im Schulalter, die nie untersucht wurden und keine therapeutische Hilfe erhielten. Nicht selten „verbieten“ Jugendämter die erforderliche kinderpsychologische und -psychiatrische Diagnostik.

Rückkehr in die Herkunftsfamilie

Wenn die Rückkehr in die Herkunftsfamilie feststeht, sollten sich Pflegeeltern dafür einsetzen, dass der Übergang von der Pflegefamilie zu den leiblichen Eltern gleitend stattfindet und das Kind nach der Rückkehr die Pflegefamilie besuchen kann. Pflegeeltern haben ein Umgangsrecht mit ihren ehemaligen Pflegekindern gemäß § 1685 Abs. 2 BGB. Das Aufrechterhalten der Kontakte erleichtert die Rückkehr in die Pflegefamilie, wenn sich herausstellen sollte, dass die Eltern doch überfordert sind.

(Leicht veränderter Auszug aus dem Aufsatz Claudia Marquardt, Verbleib oder Rückkehr aus familienrechtlicher Sicht, 4. Jahrbuch des Pflegekinderwesens, Verbleib oder Rückkehr?! Perspektiven für Pflegekinder aus psychologischer oder rechtlicher Sicht, Herausgeberin: Stiftung zum Wohl des Pflegekindes, Idstein 2007)

Sorgerechtliche Regelungen

Übernahme der Vormundschaft oder Pflegschaft durch die Pflegeeltern

Ist ein Kind schon längere Zeit in seiner Pflegefamilie und hat es dort sein Zuhause gefunden, kann es sinnvoll sein, dass eine Vormundschaft oder Ergänzungspflegschaft, die für das Kind eingerichtet wurde, auf die Pflegeeltern übertragen wird. Erstens sind dann die Pflegeeltern als Vormund oder Pfleger auch Beteiligte im Umgangs- und Sorgerechtsverfahren; zweitens können sie ihr Pflegekind besser erziehen, weil sie dem Kind mehr Sicherheit und Halt vermitteln können.

Voraussetzung ist, dass eine Vereins- oder Amtsvormundschaft besteht (die Entlassung eines Einzelvormunds ist auch möglich, aber schwieriger). Ein solcher Antrag sollte nur ohne anwaltliche Hilfe gestellt werden, wenn es keine Konflikte mit den leiblichen Eltern oder dem Jugendamt gibt. Jedes unvorsichtige Vorgehen der Pflegeeltern bei Gericht kann unangenehme Folgen haben.

Übertragung des Sorgerechts oder Teile des Sorgerechts gemäß § 1630 Abs. 3 BGB

Wenn die Eltern das Sorgerecht haben und ein gutes Einvernehmen zwischen Eltern und Pflegeeltern besteht, kann auf Antrag der Eltern oder der Pflegeeltern mit Zustimmung der Eltern die Personensorge oder Teile davon auf die Pflegeeltern übertragen werden: zum Beispiel das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge, das Recht, Schulangelegenheiten zu regeln und – sehr wichtig – das Recht, öffentliche Leistungen nach dem SGB VIII zu beantragen. Das Familiengericht überträgt dann mit Beschluss einzelne Teile der elterlichen Sorge oder die gesamte Personensorge.

Die Übertragung des Sorgerechts oder von Teilen desselben auf die Pflegeeltern sowie eventuell die Durchführung einer Änderung des Familiennamens des Kindes in den Familiennamen der Pflegefamilie verstärken die Sicherheit, die Pflegekinder zur gesunden Entwicklung brauchen.